typographische
zitate
Schlechter Satz ist unsozial.
Kurt Weidemann

Typographische
Gesellschaft
München e. V.

Elsenheimerstraße 48
80687 München

info@tgm-online.de
089.7 14 73 33

Event

Designer der Zukunft. Eine These von Michael Hardt

Rudolf Paulus Gorbach
30. Juli 2012
Michael Hardt kritisiert in seinem Vortrag das heutige Desi­gnver­ständnis, das Massen­konsum fördert und geplante Obso­leszenz unter­stützt. Er fordert einen Wandel hin zu einem ethi­scheren, prozes­s­o­ri­en­tierten Design als zentrale Disziplin des 21. Jahr­hunderts, um Heraus­for­de­rungen wie Bevöl­ke­rungs­wachstum, Ressour­cen­knappheit und Klima­wandel zu begegnen.

Vorprogramm Schrift: Moritz Essers Slab-Schrift »Nautinger« ist eine Abschluss­arbeit aus dem Jahr 2009. In seinem Entwurfs­prozess hat Esser die Ziehfeder als Geschichte des Schreibens erwähnt. Er hat gezeichnet, die Zeich­nungen in Illus­trator über­tragen, gescannt und erst dann digital bear­beitet. Er legt Wert auf ein sorg­fältiges Kerning, in seiner schrägen Seri­fen­be­tonten gibt es schöne Bogen­einläufe und als Text­schrift ist sie gut lesbar. Sollte man mal auspro­bieren.

Michael Hardt beginnt seinen Vortrag mit einem schönen Papaneck-Zitat: »Es gibt Berufe die schäd­licher sind als Industrial Design, aber nur sehr wenige. Nur ein Beruf ist mögli­cherweise noch verlogener. Das viel­leicht verlo­genste Feld das es heute gibt ist Werbe­design: Indem es Leute dazu verführt sich mit Geld, das sie nicht haben, Dinge zu kaufen, die sie nicht brauchen, um andere zu beein­drucken, denen dies egal ist«.

Worum geht es im Design? Es geht um Bevöl­ke­rungs­wachstum, Ressourcen, Klima­wandel, Ressour­cen­schonung, Konsum und Lebens­qualität. Intel­li­gentere Designer seien gefragt und Hardt sieht einen ganz anderen Designer als zentralen Beruf des 21. Das heutige Desi­gnver­ständnis befeuere den sinnlosen Massen­konsum. Und alles wird geplant kaputt gemacht, indem die Lebensdauer der Produkte künstlich verkürzt wird. Die Häss­lichkeit wird geplant und

Designer gestalten den schönsten Müll der Welt. Und ethisch blind ist das Marketing sowieso. Dabei sollte und muss Design Teil der Lösung sein; nicht Verschö­nerung, sondern Prozess.

Design ist Navi­gation, und das meint Hardt wörtlich. Wo man steht, woher man kommt, wohin man will, wie man dorthin kommt, wann man dort sein wird und was einen davon abhalten könnte.

Er beschreibt die Trendwende der 70er Jahre und prognos­tiziert eine Trendwende heute. Kondratschew lässt freundlich grüßen. Einen Beweis für diese Trendwende, die vor allem den Designer betreffen soll, kann Hardt allerdings nicht liefern. Aber sein Plan Gebrauch statt Ver-brauch klingt plausibel. Nach­hal­tigkeit soll an die Stelle von Verschwendung treten. Und das Künstliche soll sich am Natür­lichen orien­tieren.

In Hardts Idea­l­vor­stellung entwirft der Designer in Zukunft Dinge, die der ehemalige Kunde, jetzt sozusagen der Desi­gnnehmer, annimmt. Der Designer weiß dann, was, wo und wie gebraucht wird.

Seite 48 aus Hardts Vortrag (Abbildung nachträglich hochgerechnet)

Nachspiel: Michael Hardt hielt am nächsten Tag ein Seminar für die tgm zu diesem Thema. Ich kann darüber nicht berichten. Aber ein paar Wochen später war ich zu einer Besprechung der Gestalter bei Kochan & Partner eingeladen, in dem sowohl der Vortrag als auch das Seminar sehr eindrü­cklich wieder­gegeben wurde. Die Diskussion verlief – wie schon nach dem tgm-Vortrag – äußerst konträr. Die neue Rolle des Designers konnte sich in der Praxis kaum einer der Designer oder eine der Desi­g­ne­rinnen vorstellen.

Weitere Blogbeiträge, die Sie interessieren könnten

Buchbesprechung

Form, Funktion und Freiheit

Rudolf Paulus Gorbach

Als ich über Freiheit und Typo­grafie nach­dachte stieß ich auf den vorlie­genden Buchtitel. Neu- und wiss­be­gierig begann ich das Buch zu lesen. Eine Disser­tation, die wohl nicht für allge­meines Interesse geschrieben wurde. »Dem Design selbst kommt eine poli­tische Bedeutung zu, die von seiner ästhe­tischen Dimension nicht zu trennen ist«, lese ich auf der Buch­rückseite. Was bedeutet nun dabei Freiheit, was ist hierbei die poli­tische Relevanz von Design?

Buchbesprechung

Mies tot oder lebendig?

Rudolf Paulus Gorbach

So lautet der Untertitel des aktuellen Mies-Haus-Jahres­ma­gazins. Mies van der Rohes Einfluss auf die Gestaltung von Druck­sachen ist sicher nicht zu unter­schätzen, und so ist das Sonderheft auch für Typo­grafen inter­essant.

A black and white pencil drawing for a blog post, depicting material research on the Barcelona Chair with a soft grid of Mies van der Rohe's facades
Event

Über das »Neue« in Schrift­­ge­staltung und Typo­­­grafie

Silvia Werfel

Die 23. Typotage waren wie alle ihre Vorgän­ge­rinnen ausgebucht. Ein Zeichen dafür, wie gut solche Infor­mations- und Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tungen ankommen. Zudem ist der äußere Rahmen großartig, nämlich in einem sehr lebendigen Museum für Druckkunst.

Museum für Druckkunst in Leipzig