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Buchbesprechung

Slanted besucht die Schweiz

Rudolf Paulus Gorbach
25. Mai 2014
Nachdem die hart über­klebte Schweizer Broschur über­listet ist, lässt sich Slanted 23 im Buch­format ganz gut durch­blättern. Slanted ist auf hoch­glän­zendem/mattem Papier gedruckt und ein Such- und Findebuch, für das der Benutzer etwas Geduld benötigt, da die Ordnung des Buches nicht dominiert.

Die Slanted-Redaktion war auf der Suche nach zeit­ge­nös­sischer Schweizer Grafik und hat zahl­reiche Gestalter besucht. Das Ergebnis liegt in der Ausgabe 23 vor, wird aber auch am 5. Juni Thema einer Konferenz (wie man heute die Ansammlung von Vorträgen auch oft nennt) sein.

So reflektiert Brigitte Schuster, Grafik­de­si­gnerin aus Deut­schland, die Situation des Schweizer Grafik­designs aus deutscher Sicht. Dabei erinnert sie daran, was man unter Swiss Style versteht und wie dieser entstanden ist. Konstruk­ti­vismus, de Stijl, Bauhaus, Neue Typo­grafie als Quellen führten zu seri­fenlosen Schriften und einer strengen, an Rastern orien­tierten Typo­grafie. Nach 1945 war diese Richtung führend und vorbildlich, gleich­zeitig als »Inter­na­ti­onaler Stil« weltweit einflussreich. Aber was passiert heute oder in den letzten zwei Jahr­zehnten?

Gestaltung wird oft und zu Recht als Frage der Haltung gesehen. Am Beispiel des Magazins »Reportagen« geht Brigitte Schuster in ihrem Beitrag »Refle­xionen über Schweizer Grafik­design« auf die inhaltliche Rolle des Magazins als reines Text­magazin ohne Bilder ein. Die Visu­a­li­sierung ist rein typo­gra­phisch. Sorgfalt, konzep­ti­o­nelles Vorgehen, durch­dachte Gestaltung sind viel­leicht ein typisches Erbe des Schweizer Designs. Aber nicht immer scheint sich das auch auf die Typo­grafie im Detail zu beziehen. Jedenfalls findet man oft gestal­te­rische »Frei­heiten«, die auf Kosten der Lesbarkeit gehen. Unter dem Strich kommen aus der Schweiz heute Gestal­tungs­ten­denzen, die mehr dem Effekt als der gestal­te­rischen Funktion folgen.

Slanted 23 besteht vor allem aus Beispielen, Werk­ge­schichten und Statements oder Interviews, die die Redaktion in ihrer »Swiss Tour« zusam­men­ge­tragen und veröf­fentlicht hat. Und die reicht von so unter­schied­lichen Gestaltern wie Jost Hochuli und Wolfgang Weingart bis zu Ludovico Balland, Büro Destruct, Niklaus Troxler oder clau­diabasel.

Viel Persön­liches erfährt man in den Interviews, wenn etwa Matthias Hoffmann über seinen Vater, den grossen »klas­sischen« Schweizer Plakat­ge­stalter, spricht oder Angela Thomas von Max Bill erzählt. Und Wolfgang Weingart sieht das aktuelle Grafik­design proble­matisch: »… die einen sind gemäßigt, die anderen noch im Rein­zustand«. Weingart ist skeptisch gegenüber den »Schnellcomer« (z.B. Carson) und hat selbst in den sechziger Jahren einen typo­gra­fischen Erdrutsch ausgelöst. Sein Ausbruch aus dem recht­winkligen Dogma wurde für viele seiner Schüler domi­nierend. Weingart sagt aber auch, dass sich der Beruf des Grafikers »hoffentlich ins Nichts« entwickeln wird. "Man müsste mindestens 80 Prozent der Schulen schließen.

Slanted 23
swiss issue

312 Seiten
Klap­pen­broschur
ISSN 1867–6510
Magma-Brand, Karlsruhe 2014
18 Euro

Die Konferenz »il y a le feu au laic« findet am 5. Juni 2014 von 11.30 bis 17 Uhr in der Hoch­schule für Gestaltung, Karlsruhe statt. Sie ist kostenlos, aber eine vorherige Regis­trierung ist erfor­derlich.

Zur Zeit gibt es im Museum für Gestaltung in Zürich eine Retro­spektive des Werkes von Wolfgang Weingart. Noch bis zum 28. September 2014.

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